Drittes Abenteuer

Wie Siegfried nach Worms kam

Dem Herren mühte selten · irgend ein Herzeleid.
Er hörte Kunde sagen · wie eine schöne Maid
In Burgonden wäre, · nach Wünschen wohlgethan,
Von der er bald viel Freuden · und auch viel Leides gewann.

Das Lob ihrer Schöne · vernahm man weit und breit,
Und auch ihr Hochgemüthe · ward zur selben Zeit
Bei der Jungfraue · viel Helden wohlbekannt:
Das ladete viel der Gäste · König Gunthern in das Land.

So viel man auch der Werbenden · um ihre Minne sah,
Kriemhild in ihrem Sinne · sprach dazu nicht Ja,
Daß sie Einen wollte · zum geliebten Mann:
Gar fremd noch war ihr Jener, · dem sie bald ward unterthan.

Da dacht auf hohe Minne · der Sieglinde Kind:
Der andern Werben alle · war wider seins ein Wind.
Er mochte wohl verdienen · schöner Frauen Leib.
Bald ward die edle Kriemhild · des kühnen Siegfriedes Weib.

Ihm riethen seine Freunde · und die in seinem Lehn,
Wenn er stete Minne · sich zum Ziel ersehn,
So soll' er eine werben, · der er sich nicht zu schämen.
Da sprach der edle Siegfried: · "So will ich Kriemhilden nehmen,

"Die schöne Jungfraue · von Burgondenland
Ob ihrer großen Schönheit. · Das ist mir wohlbekannt,
Kein Kaiser sei so mächtig, · dem, würb er um ein Weib,
Zu minnen nicht geziemte · der reichen Königin Leib."

Diese Märe hörte · der König Siegmund.
Es sprachen seine Leute: · also ward ihm kund
Seines Kindes Wille. · Es war ihm höchlich leid,
Daß er werben wolle · um diese herrliche Maid.

Die Königin auch erfuhr es, · die edle Sieglind:
Die muste große Sorge · tragen um ihr Kind,
Denn sie kannte Gunthern · und die in seinem Bann;
Das Werben man dem Degen · sehr zu verleiden begann.

Da sprach der kühne Siegfried: · "Viel lieber Vater mein,
Ohn edler Frauen Minne · wollt ich immer sein,
Wenn ich nicht werben dürfte · nach Herzensliebe frei."
Was Jemand reden mochte, · so blieb er immer dabei.

"Und willst dus nicht vermeiden," · der König sprach da so,
"So bin ich deines Willens · von ganzem Herzen froh
Und will dirs fügen helfen, · so gut ich immer kann;
Doch hat der König Gunther · manchen hochfährtgen Mann.

"Und wär es anders Niemand · als Hagen der Degen,
Der kann im Uebermuthe · wohl der Hochfahrt pflegen,
So daß ich sehr befürchte, · es mög uns werden leid,
Wenn wir werben wollen · um diese herrliche Maid."

"Was mag uns gefährden?", · hub da Siegfried an:
"Was ich mir nicht im Guten · dort erbitten kann,
Will ich schon sonst erwerben · mit meiner starken Hand.
Ich will von ihm erzwingen · die Leute und auch das Land."

"Leid ist mir deine Rede," · sprach König Siegmund,
"Und würde diese Märe · dort am Rheine kund,
So dürftest du wohl nimmer · in König Gunthers Land.
Gunther und Gernot, · die sind mir lange bekannt.

"Mit Gewalt erwerben · kann Niemand die Magd,"
Sprach der König Siegmund, · "das ist mir wohl gesagt;
Willst du jedoch mit Recken · reiten in das Land,
Die Freunde, die wir haben, · die werden eilends besandt."

"So ist mir nicht zu Muthe," · fiel ihm Siegfried ein,
"Daß ich mit Recken sollte · reiten an den Rhein.
Nicht mit einer Heerfahrt - das wäre mir wohl leid,
Sollt ich damit erzwingen · diese herrliche Maid.

"Ich will sie wohl erzwingen · allein mit meiner Hand.
Ich reite selbzwölfter · in König Gunthers Land:
Dazu sollt ihr mir helfen, · Vater Siegmund."
Da gab man seinen Degen · zu Kleidern grau und auch bunt.

Da vernahm auch diese Märe · seine Mutter Sieglind.
Sie begann zu trauern · um ihr liebes Kind:
Sie bangt' es zu verlieren · durch König Gunthers Bann:
Gar sehr die edle Königin · darob zu weinen begann.

Siegfried der Degen · gieng hin, wo er sie sah.
Wider seine Mutter · gütlich sprach er da:
"Frau, ihr sollt nicht weinen · um den Willen mein,
Wohl denk ich ohne Sorgen · vor allen Feinden zu sein.

Und helft mir zu der Reise · nach Burgondenland,
Daß mich und meine Recken · ziere solch Gewand,
Wie so stolze Recken · mit Ehren mögen tragen:
Ich will dafür in Wahrheit · den Dank von Herzen euch sagen."

"Ist dir nicht abzurathen," · sprach Frau Siegelind,
"So helf ich dir zur Reise, · mein einziges Kind,
Mit dem besten Staate, · den je ein Ritter trug,
Dir und deinen Gesellen: · ihr sollt des haben genug."

Da neigte sich der Königin · Siegfried der junge Mann.
Er sprach: "Nicht mehr Gesellen · nehm ich zur Fahrt mir an,
Als der Recken zwölfe: · verseht die mit Gewand;
Ich möchte gern erfahren, · wie's um Kriemhilde bewandt."

Da saßen schöne Frauen · über Nacht und Tag,
Daß ihrer selten Eine · der Ruhe eher pflag,
Bis man gefertigt hatte · Siegfriedens Staat.
Er wollte seiner Reise · keineswegs haben Rat.

Sein Vater hieß ihm zieren · sein ritterlich Gewand,
Womit er räumen wollte · König Siegmunds Land.
Ihre lichten Panzer, · die wurden auch bereit
Und ihre festen Helme, · ihre Schilde schön und breit.

Nun sahen sie die Reise · nach Burgonden nahn.
Um sie begann zu sorgen, · beides, Weib und Mann,
Ob sie wohl wiederkämen · in ihrer Heimat Land.
Sie geboten aufzusäumen · die Waffen und das Gewand.

Schön waren ihre Rosse, · ihr Reitzeug goldesroth:
Wenn wer sich höher däuchte, · so war es ohne Noth,
Als der Degen Siegfried · und die in seinem Bann.
Nun bat er, daß er Urlaub · nach Burgondenland gewann.

Den gaben ihm mit Trauern · König und Königin.
Er tröstete sie beide · mit minniglichem Sinn
Und sprach: "Ihr sollt nicht weinen · um den Willen mein
Immer ohne Sorgen · sollt ihr um mein Leben sein."

Es ward leid den Recken, · auch weinte manche Maid;
Sie hatten wohl im Herzen · gefunden den Bescheid,
Sie müstens einst entgelten · durch lieber Freunde Tod.
Sie hatten Grund zu klagen, · es schuf ihnen wahrlich Noth.

Am siebenten Morgen · zu Wormes an dem Strand
Ritten schon die Kühnen: · da war all ihr Gewand
Aus rothem Gold gewoben, · ihr Reitzeug wohlgethan,
Die Rosse giengen eben · den Degen in Siegfrieds Bann.

Neu waren ihre Schilde, · licht und breit genug,
Und gar schön die Helme · bei dem Hofeszug
Siegfried des kühnen · in König Gunthers Land.
Man ersah an Helden · nie so herrlich Gewand.

Der Schwerter Enden giengen · nieder auf die Sporen,
Scharfe Spieße führten · die Ritter auserkoren,
Von zweier Spannen Breite · war welchen Siegfried trug;
Der hatt an seiner Schneide · grimmer Schärfe genug.

Die goldfarbnen Zäume · führten sie an der Hand;
Der Brustriem war von Seide: · so kamen sie ins Land.
Da gafften sie die Leute · allenthalben an,
Entgegen liefen ihnen · die Recken in Gunthers Bann.

Die hochbeherzten Degen, · Ritter so wie Knecht,
Die giengen zu den Herren, · so war es Fug und Recht,
Die Gäste zu empfangen · in ihrer Herren Land;
Sie nahmen ihnen die Pferde · mit den Schilden von der Hand.

Da wollten sie die Rosse · in die Ställe ziehn;
Wie sprach da so geschwinde · Siegfried der Degen kühn:
"Laßt uns stehn die Pferde, · mir und den meinen dort:
Wie mir ist zu Muthe, · so reit ich bald wieder fort.

"Wem die Märe kund ist, · der laße sich befragen.
Wo ich den König finde, · das soll man mir sagen,
Gunther den reichen · aus Burgondenland."
Da saget' es ihm Einer, · dem es wohl war bekannt.

"Wollt ihr den König finden, · das mag gar wohl geschehn.
In jenem weiten Saale · hab ich ihn gesehn
Unter seinen Helden; · da geht zu ihm hinan,
So mögt ihr bei ihm finden · manchen herrlichen Mann."

Nun war auch dem König · die Märe schon gesagt,
Daß gekommen wären · Ritter unverzagt:
Sie führten reiche Harnische · und herrlich Gewand,
Sie erkenne Niemand · in der Burgondenland.

Den König nahm es Wunder, · woher gekommen sei'n
Die herrlichen Recken · im Kleid von lichtem Schein,
Und mit so guten Schilden, · so neu und so breit:
Daß ihm das Niemand sagte, · das war König Gunthern leid.

Da sprach zu dem König · von Metz Herr Ortewein,
Reich und kühnes Muthes · mochte der wohl sein:
"Da wir sie nicht erkennen, · so heißet Jemand gehn
Nach meinem Oheim Hagen: · dem sollt ihr sie laßen sehn.

"Dem sind wohl kund die Reiche · und alles fremde Land:
Hat er von ihnen Kunde, · das mach er uns bekannt."
Der König ließ ihn holen · und die in seinem Lehn:
Man sah ihn stolzes Schrittes · mit Recken nach Hofe gehn.

Warum nach ihm der König, · frug Hagen da, gesandt?
"Es sind in meinem Hause · Degen unbekannt,
Die Niemand weiß zu nennen: · habt ihr sie je gesehn,
Das sollst du mir, Hagen, · nach der Wahrheit gestehn."

"Das will ich," sprach Hagen. · Zum Fenster schritt er drauf,
Da ließ er nach den Gästen · den Augen freien Lauf.
Es gefiel ihm ihr Geräthe · und auch ihr Gewand;
Sie waren ihm gar fremde · in der Burgonden Land.

Er sprach: "Woher die Recken · auch kamen an den Rhein,
Es möchten selber Fürsten · oder Fürstenboten sein.
Schön sind ihre Rosse · und ihr Gewand ist gut;
Von wannen sie auch kommen, · es sind Helden hochgemuth."

Also sprach da Hagen: · "Ich will euch gestehn,
Ob ich gleich im Leben · Siegfrieden nicht gesehn,
So will ich doch wohl glauben, · wie es damit auch steht,
Daß Er es sey, der Degen, · der so herrlich dorten geht.

"Er bringet neue Märe · her in dieses Land:
Die kühnen Nibelungen · schlug des Helden Hand,
Die reichen Königssöhne · Schilbung und Nibelung;
Er wirkte große Wunder · mit des starken Armes Schwung.

"Als der Held alleine · ritt ohne Hülf und Macht,
Fand er an einem Berge, · so ward mir hinterbracht,
Bei König Niblungs Horte · gar manchen kühnen Mann;
Sie waren ihm gar fremde, · bis er hier die Kunde gewann.

"Der Hort König Niblungs · ward hervorgetragen
Aus einem hohlen Berge: · nun höret Wunder sagen,
Wie ihn theilen wollte · der Nibelungen Bann.
Das sah der Degen Siegfried, · den es zu wundern begann.

"So nahe kam er ihnen, · daß er die Degen sah
Und ihn die Helden wieder. · Der Eine sagte da:
Hier kommt der starke Siegfried, · der Held aus Niederland.
Seltsame Abenteuer · er bei den Nibelungen fand.

"Den Recken wohl empfiengen · Schilbung und Nibelung.
Einhellig baten · die edeln Fürsten jung,
Daß ihnen theilen möchte · den Hort der werthe Mann:
Das begehrten sie, bis endlich · ers zu geloben begann.

"Er sah so viel Gesteines, · wie wir hören sagen,
Hundert Doppelwagen, · die möchten es nicht tragen;
Noch mehr des rothen Goldes · von Nibelungenland:
Das Alles sollte theilen · des kühnen Siegfriedes Hand.

"Sie gaben ihm zum Lohne · König Niblungs Schwert:
Da wurden sie des Dienstes · gar übel gewährt,
Den ihnen leisten sollte · Siegfried der Degen gut.
Er konnt' es nicht vollbringen: · sie hatten zornigen Muth.

"So must er ungetheilet · den Schatz laßen stehn.
Da bestritten ihn die Degen · in der zwei Könge Lehn.
Mit ihres Vaters Schwerte, · das Balmung war genannt,
Stritt ihnen ab der Kühne · den Hort und Nibelungenland.

"Da hatten sie zu Freunden · kühne zwölf Mann,
Das waren starke Riesen: · was konnt es sie verfahn?
Die erschlug im Zorne · Siegfriedens Hand
Und siebenhundert Recken · zwang er vom Nibelungenland

"Mit dem guten Schwerte, · das Balmung war genannt.
Viel der jungen Degen, · vom Schrecken übermannt,
Den vor dem Schwert sie hatten · und vor dem kühnen Mann,
Das Land mit den Burgen · machten sie ihm unterthan.

"Dazu die reichen Könige, · die schlug er beide todt;
Er kam durch Alberichen · darauf in große Noth:
Der wollte seine Herren · rächen allzuhand,
Eh er die große Stärke · noch an Siegfrieden fand.

"Da war ihm nicht gewachsen · der gewaltge Zwerg:
Wie die wilden Leuen · liefen sie an den Berg,
Als er die Tarnkappe · Albrichen abgewann.
Da war der Herr des Hortes · Siegfried der furchtbare Mann.

"Die sich getraut zu fechten, · die lagen all erschlagen:
Er ließ den Hort wieder · nach dem Berge tragen,
Woraus ihn erst genommen · die in Niblungs Bann:
Alberich der starke · das Amt des Kämmrers gewann.

"Erst must ihm Eide schwören, · er dien ihm als sein Knecht,
Mit allerhand Diensten · ward er ihm gerecht,"
So sprach von Tronje Hagen: · "das hat der Held gethan:
Also große Kräfte · nie mehr ein Recke gewann.

"Noch ein Abenteuer · ist mir von ihm bekannt:
Einen Linddrachen · schlug des Helden Hand;
Da er im Blut sich badete, · ward hörnern seine Haut:
Nun versehrt ihn keine Waffe: · das hat man oft an ihm geschaut.

Drum rath ich, daß den Jüngling · man wohl empfangen soll,
Damit wir nicht verdienen · des schnellen Recken Groll;
Er ist so schön von Wuchse, · man seh ihn freundlich an:
Er hat mit seinen Kräften · so manche Wunder gethan."

Da sprach der reiche König: · "Fürwahr, du hast wohl recht.
Wie ritterlich er dasteht, · als gält es ein Gefecht,
Dieser kühne Degen · und die in seinem Lehn!
Wir wollen ihm entgegen · hinab zu dem Recken gehn."

"Das mögt ihr," sprach da Hagen, · "mit allen Ehren schon:
Er ist von edelm Stamme, · eines reichen Königs Sohn;
Auch hat er die Gebähre, · mich dünkt, beim Herren Christ,
Es sei nicht kleine Märe, · warum er hergeritten ist."

Da sprach des Landes König: · "Nun, sei er uns willkommen,
Er ist kühn und edel, · das hab ich wohl vernommen:
Das soll er genießen · in Burgondenland."
Da gieng der König Gunther · hin wo er Siegfrieden fand.

Der Wirth und seine Gäste · empfiengen so den Mann,
Daß wenig an dem Gruße · gebrach, den er gewann;
Des neigte sich vor ihnen · der Degen ausersehn,
Weil ihm so recht freundlich · die Grüße waren geschehn.

"Mich wundert," sprach der König · Gunther allzuhand,
"Woher ihr, edler Siegfried, · gekommen in dieß Land,
Oder was ihr suchen wollet · zu Wormes an dem Rhein?"
Da sprach der Gast zum König: · "Das soll euch unverholen sein.

"Ich habe sagen hören · in meines Vaters Land,
An euerm Hofe wären · (das hätt ich gern erkannt)
Die allerkühnsten Recken · (so hab ich oft vernommen),
Die je gewann ein König: · darum bin ich hieher gekommen.

"So hör ich auch euch selber · Mannheit zugestehn,
Man habe keinen König · noch so kühn gesehn.
Das rühmen viel die Leute · über allem diesem Land:
Nun kann ichs nicht verwinden, · bis ich die Wahrheit befand.

"Ich bin auch ein Recke · und soll die Krone tragen:
Ich möcht es gerne fügen, · daß sie von mir sagen,
Daß ich mit Recht besäße · die Leute wie das Land;
Mein Haupt und meine Ehre · setz ich gern dafür zum Pfand.

"Seid ihr nun so verwogen, · wie euch die Sage zeiht,
So frag ich nicht, ists Jemand · lieb oder leid:
Ich will von euch erzwingen · was euch angehört,
Das Land und die Burgen · unterwerf ich meinem Schwert."

Der König war verwundert · und all sein Volk umher,
Als sie vernommen hatten · sein seltsam Begehr,
Das er des Willens wäre, · zu nehmen ihm sein Land:
Das hörten seine Recken, · die wurden zornig zur Hand.

"Wie hätt ich das verdienet?", · sprach Gunther der Degen,
"Daß, wes mein Vater lange · mit Ehren durfte pflegen,
Wir das verlieren sollten · von Jemands Ueberkraft?
Das wäre schlecht bewiesen, · daß wir auch pflegen Ritterschaft!"

"Ich kann es nicht verwinden," · fiel ihm der Kühne drein,
"Es mag vor deiner Herrschaft · dein Land befriedet sein:
Ich will es nun verwalten; · doch auch das Erbe mein,
Erwirbst du es durch Stärke, · es soll dir unterthänig sein.

"Dein Erbe und das meine, · gleich sollen beide liegen;
Und wer dann von uns beiden · den Andern mag besiegen,
Dem soll es Alles dienen, · die Leute wie das Land."
Dem widersprach da Hagen · und auch Gernot zur Hand.

"So stehn uns nicht die Sinne," · sprach da Gerenot,
"Nach neuen Lands Gewinne, · daß Jemand sollte todt
Vor Heldeshänden liegen: · reich ist unser Land,
Das uns mit Recht gehorsamt, · zu Niemand beßer bewandt."

Da standen grimmen Muthes · umher die Freunde sein;
Da war auch darunter · von Metz Herr Ortewein:
Der sprach: "Diese Sühne · ist mir von Herzen leid:
Euch ruft der starke Siegfried · ohn allen Grund in den Streit.

"Steht ihr und eure Brüder · ihm auch nicht zur Wehr,
Und ob er bei sich führte · ein ganzes Königsheer,
So wollt ichs doch erstreiten, · daß der kühne Held
Mit gutem Recht bei Seite · sein herrisches Wesen stellt."

Darüber zürnte mächtig · der Held von Niederland:
"Nicht wider mich vermeßen · darf sich deine Hand:
Ich bin ein reicher König, · du bist in Königs Lehn;
Wohl dürfen deiner Zwölfe · mit Streit mich nimmer bestehn."

Nach Schwertern rief da heftig · von Metz Herr Ortewein:
Von Tronje Hagens Schwestersohn, · der durft er wahrlich sein;
Daß der so lang geschwiegen, · das war dem König leid.
Da unterfieng sichs Gernot, · der Ritter kühn und kampfbereit.

Er sprach zu Orteweinen: · "Laßt euer Zürnen sein;
Es soll der Degen Siegfried · sich nicht mit uns entzwein;
Wir mögens wohl noch scheiden · im Guten, rath ich sehr,
Und ihn zum Freunde haben; · das geziemt uns wahrlich mehr."

Da sprach der starke Hagen: · "In Wahrheit, mir ist leid,
Und deinen Degen allen, · daß er je zum Streit
Her an den Rhein geritten: · was ließ er das nicht sein?
Ihm wären nicht so übel · begegnet hier die Herren mein."

Zur Antwort gab ihm Siegfried, · der kräftige Held:
"Wenn euch, was ich gesprochen, · Herr Hagen, missfällt,
So will ich schauen laßen, · wie noch die Hände mein
So gewaltig wollen · bei den Burgonden sein."

"Das hoff ich noch zu wenden;" · sprach wieder Gernot.
Allen seinen Degen · zu reden er verbot
In ihrem Uebermuthe, · was ihm wäre leid.
Da gedacht auch Siegfried · an die viel herrliche Maid.

"Wie geziemt' uns mit euch zu streiten?", · sprach wieder Gernot.
"Wie viel dabei der Helden · auch fielen in den Tod,
Uns brächt es wenig Ehre · und euch geringen Lohn."
Zur Antwort gab ihm Siegfried, · König Siegmundes Sohn:

"Warum zögert Hagen · und auch Ortewein?
Was eilt er nicht zum Streite · mit den Freunden sein,
Deren er so Manchen · bei den Burgonden hat?"
Sie blieben Antwort schuldig, · das war Gernotens Rath.

"Ihr seid uns hier willkommen," · sprach das Uten-Kind,
"Und eure Heergesellen, · die mit euch kommen sind:
Wir wollen gern euch dienen, · ich und die Freunde mein."
Da hieß man den Gästen · schenken König Gunthers Wein.

Da sprach der Wirth des Landes: · "Was uns gehöret an,
Verlangt ihr es in Ehren, · das sei euch unterthan;
Wir wollen mit euch theilen · unser Gut und Blut."
Da ward dem Degen Siegfried · ein wenig sanfter zu Muth.

Da ließ man ihnen wahren · all ihr Rüstgewand;
Man suchte Herbergen, · die besten, die man fand,
Siegfriedens Knechten: · die hatten gut Gemach.
Man sah den Fremdling gerne · in Burgondenland hernach.

Man bot ihm große Ehre · darauf in manchen Tagen,
Mehr zu tausend Malen, · als ich euch könnte sagen;
Das hatte seine Tugend · verdient, das glaubt fürwahr.
Ihn sah wohl selten Jemand, · der ihm nicht gewogen war.

Der Kurzweil sich fließen · die Könge und ihr Bann:
Da war er stäts der Beste, · was man auch begann;
Es konnt ihm Niemand folgen, · so groß war seine Kraft,
Ob sie den Stein warfen, · oder schoßen den Schaft.

So oft sie vor den Frauen · in ihrer Höflichkeit
Der Kurzweile pflagen, · die Degen allbereit,
Da sah man immer gerne · den Held von Niederland;
Er hatt auf hohe Minne · seine Sinne gewandt.

Die schönen Fraun am Hofe · fragten nach der Mär,
Wer doch dieser fremde, · stolze Ritter wär?
"Er ist so schön von Leibe, · so reich ist sein Gewand!"
Da sprachen ihrer Viele: · "Das ist der Held von Niederland."

Was man je begonnte, · er war dazu bereit;
Er trug in seinem Sinne · eine minnigliche Maid,
Und auch nur ihn die Fraue, · die er noch nie geschaut,
Und die ihm doch viel Gutes · in der Stille zugetraut.

So oft man auf dem Hofe · das Waffenspiel begann,
Ritter so wie Knechte, · immer sah es an
Kriemhilde durch die Fenster, · die Königstochter hehr;
Keiner andern Kurzweil · bedurfte sie fürder mehr.

Und wüst er daß ihn sähe, · die er im Herzen trug,
So hätt er Kurzweile · immer auch genug,
Ersähn sie seine Augen, · ich glaube sicherlich,
Wohl keine andre Freude · auf Erden erwünscht' er sich.

Wenn er bei den Helden · auf dem Hofe stand,
Wie man noch zur Kurzweil · pflegt in allem Land,
Wohl stand er dann so minniglich, · der Sieglinden-Sohn,
Daß manche Frau ihm zollte · der Minne herzlichen Frohn.

Er gedacht auch manche Stunde: · "Wie soll das geschehn,
Daß ich das edle Mägdelein · mit Augen möge sehn,
Die ich von Herzen minne, · wie ich schon längst gethan?
Die ist mir noch gar fremde; · mit Trauern denk ich daran."

So oft die reichen Könige · ritten in ihr Land,
So musten auch die Recken · mit ihnen all zur Hand:
Auch Siegfried ritt mit ihnen; · das war den Frauen leid:
Er litt durch ihre Minne · Beschwerde zu mancher Zeit.

So wohnt' er bei den Herren, · das ist alles wahr,
In König Gunthers Lande · völliglich ein Jahr,
Daß er die Minnigliche · in all der Zeit nicht sah,
Durch die ihm bald viel Liebes · und auch viel Leides geschah.
( Das Nibelungenlied, 4. Auflage, 1844, Vers 45 bis 137 )